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    Nationalrat - Hans Fehr
Neukonzeption des Beschwerdewesens im Asylrecht
23. März 2000
Motion von Nationalrat Hans Fehr (SVP / ZH) (66 Mitunterzeichner)
(Ungekürzte Originalfassung)


Kurzfassung


In Anbetracht der fragwürdigen und realitätsfremden Praxis der Asylrekurskommission (ARK) wird der Bundesrat beauftragt, gegenüber der ARK als Sofortmassnahme Ordnungsvorschriften zu erlassen. So dann ist das Beschwerdewesen im Asylrecht neu zu konzipieren, und es ist eine einfachere, gesetzes treue Form des Rekurswesens einzuführen - nötigenfalls auf der Basis eines asylspezifischen Beschwerdeverfahrens.

Begründung

Ungenügende Interpellationsantwort
Mit der Interpellation 99.3128 "Unverantwortliche Entscheide der Asylrekurskommission" vom 19.3.99 wurde anhand zahlreicher konkreter Beispiele die oft realitätfremde und folgenschwere Praxis der Asylrekurskommission aufgezeigt. Dies betraf insbesondere die folgenden Bereiche:

Familiennachzug: Es ist zur Praxis geworden, dass vorläufig aufgenommenen Pesonen der Familiennachzug gewährt wird (vgl. ARK-Grundsatzurteil 1995/24). Diese Praxis steht im Widerspruch zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (ANAG).

Verzögerung von Verfahren: Gemäss Grundsatzurteil 1998/1 der ARK kann eine asylsuchende Person nach einer rechtskräftigen erstinstanzlichen Verfügung, mit der das Fehlen der Flüchtlingseigenschaft festgestellt worden ist, noch während des hängigen Beschwerdeverfahrens gegen die Wegweisung ein neues Asylgesuch einreichen. Dies führt zur Sistierung des Beschwerdeverfahrens und zur Überweisung des neuen Gesuches an das BFF, das über das neue Gesuch zu befinden hat. Asylsuchende haben somit die Möglichkeit, nach Ablehnung des neuen Gesuches noch während eines hängigen Beschwerdeverfahrens erneut ein ordentliches Rechtsmittel zu ergreifen und damit ihr Verfahren in die Länge zu ziehen. Mit diesem Entscheid wird der Wille des Gesetzgebers nach grösserer Effizienz des Asylverfahrens und Beseitigung von Missbräuchen missachtet.

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung: Eine weitere Missachtung des Gesetzes durch die ARK erfolgt in jenen Fällen, wo Asylbewerber, insbesondere Personen aus dem Drogenmilieu, mehrfach ihre Mitwirkungspflicht verletzen, indem sie nicht an Anhörungen erscheinen. Trotzdem gewährt die ARK aber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, was die vom Gesetzgeber verlangte Verfahrensbeschleunigung verhindert.

Zu dieser Frage übernimmt der Bundesrat die unbelegte Behauptung der ARK, es treffe nicht zu, dass die ARK die aufschiebende Wirkung "praktisch systematisch" wiederherstelle. Tatsache ist indessen, dass ARK-Richter selbst in Fällen, wo die Gesuchsteller im Drogenmilieu verkehrten, die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt haben.

Die Situation nach der Totalrevision des Asylgesetzes

Das Bild hat sich auch mit der Inkraftsetzung des neuen Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 nicht geändert. Mit der Totalrevision des Asylgesetzes wollte der Gesetzgeber ein Instrumentarium schaffen, um konsequenter gegen Missbräuche vorgehen zu können und das Verfahren zu beschleunigen. Das Vorgehen einer Gruppe von ARK-Richtern und neueste ARK-Entscheide weisen aber in die gegenteilige Richtung. Mit meist formalistischen Erwägungen werden die Bestimmungen des Asylgesetzes augeweicht:

  • Verfolgungsbegriff: Mit dem Urteil EMARK 1999/17 wird der Verfolgungsbegriff über die Definition gemäss Art. 3 AsylG hinaus ausgedehnt.

  • Vorsorgliche Wegweisung: Mit der durch die ARK vorgenommenen Auslegung von Art. 42 Abs. 2. AsylG i. V. mit Art. 31 Abs. 1 AsylV in einem Grundsatzurteil wird eine Umsetzung des Rückübernahmeabkommens mit Italien, von wo aus die meisten illegalen Einreisen von Asylsuchenden erfolgen, praktisch verunmöglicht.

  • Flughafenverfahren: In gewissen Fällen setzte sich die ARK selbst über Einschätzungen des UNHCR, in denen eine Gefährdung eines Asylbewerbers ausgeschlossen wird, ohne stichhaltige Begründung hinweg und ordnete die Erteilung einer Einreisebewilligung an.

Die Schweiz als Zufluchtsort für Kriegsverbrecher: In zwei Urteilen gegen ranghohe Vertreter des afghanischen Karmal-Najibullah-Regimes hat die ARK den vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) verfügten Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft kassiert und die Asylgewährung angeordnet. Diese Rechtsprechung setzt sich nicht nur in Widerspruch zu den Fakten und zur Praxis anderer westeuropäischer Staaten, sondern läuft auch den Bemühungen der Schweiz zuwider, aktiv zur Verfolgung und Bestrafung von Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen in aller Welt beizutragen.

ANAG als Mittel der Migrationspolitik missbraucht
Schon vor einiger Zeit hat die ARK begonnen, im Bereich des ANAG mittels einer gesetzeswidrigen Ausweitung des Begriffs der Zumutbarkeit eines Wegweisungs-Vollzugs Migrationspolitik zu betreiben:
Begriff der "konkreten Gefährdung": Mit dem Urteil EMARK 1996/2 schafft die ARK eine neue Definition für eine "konkrete Gefährdung", indem "schwierige Lebensverhältnisse" der im ANAG genannten konkreten Gefährdung (Art. 14a Abs.4) gleichgesetzt werden, um die Unzumutbarkeit einer Wegweisung zu begründen. Selbst eine drohende Arbeitslosigkeit ist gemäss einem kürzlichen Urteil der ARK "aus humanitären Erwägung" als Grund für die Feststellung der Unzumutbarkeit des Vollzugs einer Wegweisung zu erachten.

Gesundheitszustand als Wegweisungshindernis: Im Falle eines HIV-positiven Afrikaners, gemäss Arztzeugnis zur fraglichen Zeit bei guter Gesundheit, wurde die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs verneint. Auch hier kann von einer "konkreten Gefährdung" nicht die Rede sein. Ein solches Urteil schafft die Möglichkeit, dass HIV- infizierte Personen aus Regionen mit niedrigem medizinischem Versorgungsgrad sich mittels Asylgesuch ein dauerndes Aufenthaltsrecht in die Schweiz erwirken können.

Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs für Asylsuchende aus bestimmten türkischen Provinzen: Diesbezüglich hat die ARK in willkürlicher Weise 17 Provinzen bestimmt, in welche keine Gesuchsteller zurückgewiesen werden dürfen. So wurde einem Dienstverweigerer aus der Osttürkei die vorläufige Aufnahme gewährt, nur weil er den Militärdienst in seinem Herkunftsgebiet in der Osttürkei leisten müsste, was ihm aber nicht zuzumuten sei. Die Behauptung einer flächendeckenden Gefährdung der Bevölkerung in diesen 17 Provinzen ist durch keine Fakten erhärtet. Zudem gibt es Zehntausende junger Männer aus diesen Provinzen, die jährlich ihren Dienst zu leisten haben und somit gemäss Logik der ARK Anrecht hätten auf vorläufige Aufnahme in der Schweiz.

Asylgesuche auf die lange Bank geschoben
In den letzten Jahren wurden Hunderte von Fällen durch ARK-Richter sistiert, zum Teil sogar auf Weisung ihrer Vorgesetzten. Im Falle von Bosnien und Herzegowina hat die ARK die Wegweisungspolitik des Bundesrates unterlaufen, indem sie Dosierkategorien zusammenstellte und diese einfach nicht mehr behandelte, in der Meinung, dass es irgendwann eine humanitäre Globalregelung gebe. In der Tat müssen nun all diese Dossiers auf die Anwendung von Art. 44 AsylG Abs. 3 geprüft werden, was im BFF zu einem erheblichen Mehraufwand führen wird. Mit dieser Problematik setzt sich auch ein Artikel der "Suisse Romande" vom 19. Februar 2000 auseinander. Darin wird bestätigt, dass zwar jedermann wisse, wo das Asylverfahren klemme, nämlich auf Beschwerdeebene bei der ARK, doch gebe es dazu keine konkreten Zahlen. Es gibt aber zahlreiche Statistiken bei der ARK und beim BFF mit genauen Zahlenangaben zu Verfahrensdauer und Herkunftsstaaten. Daraus geht u.a. hervor, dass bei der ARK allein für die Zeit von 1992 bis 1995 ca. 2000 sistierte Asylgesuche aus Bosnien, Jugoslawien und Sri Lanka hängig sind. Die jährlichen Kosten für die Fürsorge dieser Personen, die sich vorwiegend nur deshalb in er Schweiz aufhalten, weil einige ARK-Richter bewusst das Asylgesetz unterlaufen, geht in zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Das ist ein Skandal!

Verhalten gewisser ARK-Richter
Gemäss Presseberichten kann es sich ein gewisser ARK-Richter erlauben, das vom Parlament und vom Volk genehmigte Asylgesetz in der Öffentlichkeit heftig zu kritsieren. Insbesondere stört es ihn, dass das BFF nun die verschärften Gesetzesbstimmungen "fleissig und oft" anwende. Seine Vorwürfe an den Gesetzgeber krönt er mit der Aussage, es könne nicht mehr von einem fairen Verfahren gesprochen werden, da ja die teilweise kurzen Fristen im Asylverfahren nur eingeführt worden seien, um den Asylbewerbern die Möglichkeit einer Beschwerde vorzuenthalten (BZ vom 9.2.2000).

Das einseitige und untolerierbare Verhalten dieses Richters und Kammerpräsidenten hat bisher zu keinen Sanktionen geführt. So konnten sich auch weitere im selben Kielwasser agierende Richterinnen und Richter bei ihren zum Teil weltfremden und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Urteilen auf ihre richterliche Unabhängigkeit berufen.

Die oft fragwürdige bis unverantwortliche Praxis der ARK hat eine fatale Signalwirkung und leistet dem Missbrauch unseres Asylrechts Vorschub. Sie verursacht gewaltige Kosten, schürt gefährliche fremdenfeindliche Strömungen und unterhöhlt die Rechtsordnung in unserem Land.

Fazit
Asylentscheide des BFF werden durch die ARK zunehmend desavouiert. Sofern die BFF-Beamten das Asylgesetz korrekt anwenden, müssen sie gewärtigen, dass ihre Entscheide von der ARK entweder sistiert oder kassiert und dass Beschwerden gegen den Vollzug der Wegweisung gutgeheissen werden. Deshalb ist die Antwort des Bundesrates auf die erwähnte Interpellation unbefriedigend und nicht akzeptabel.

Es drängen sich dazu folgende Feststellungen auf:

Der Bundesrat hat die politische Kontrolle über den Asylbereich offensichtlich weitgehend verloren; er hat die Festlegung der asylpolitischen Leitlinien praktisch der ARK überlassen.

Es macht den Anschein, dass sich der Bundesrat von der politischen Verantwortung in der Asylfrage verabschiedet hat und dass er die Gestaltung der Asylpolitik Gruppierungen (ARK, Hilfswerke, Rechtsprofessoren) überlässt, die von einer largen Asylpolitik und von einem ungehemmten Zustrom von Asylsuchenden nur profitieren können. An vorderster Stelle steht dabei die ARK.

In seiner Interpellations-Antwort versteckt sich der Bundesrat hinter Paragraphen. Er nimmt es in Kauf, dass seine eigenen Leitlinien von der ARK unterlaufen werden. Bei der Beantwortung der Interpellation ist der Bundesrat nicht in der Lage, klare Zahlen zu liefern. Die zum Teil beschönigenden Antworten hat er sich offensichtlich von der (befangenen) ARK liefern lassen.

Der Bundesrat hat es bisher versäumt, von seinem Weisungsrecht gegenüber der ARK Gebrauch machen und den Richtern Ordnungsvorschriften zur Behandlung der Dossiers vorzulegen. Um das willkürliche Sistieren von Dossiers zu verhindern, müssen die ARK-Urteile spätestens sechs Monate nach Eingang der Beschwerde gefällt werden.

Der Bundesrat lässt es zu, dass ein ARK-Richter gegen das Prinzip der Unparteilichkeit und der Gewaltentrennung verstösst und öffentlich die Gesetze kritisiert, die er Kraft seines Amtes anzuwenden hat. Derartige Äusserungen eines Kammerpräsidenten bedeuten einen klaren Verstoss gegen die Amtspflicht und müssen sanktioniert werden.

Die ARK kann offenbar Migrationspolitik betreiben, ohne dass es der Bundesrat merkt. Die ARK masst sich auf diese Weise quasi gesetzgeberische Kompetenzen an. Es ist auch Aufgabe des Bundesrates, gegenüber der ARK dafür zu sorgen, dass die Schweiz unter dem Deckmantel des Asylgesetzes nicht zu einem Zufluchtsort für Kriegsverbrecher wird.

Konsequenz
Der Bundesrat muss die politische Kontrolle im Rahmen seiner Aufsichtspflicht über die ARK-Tätigkeit konsequent ausüben und seine Verantwortung im Asylbereich wieder wahrnehmen. Es sind auf das Gesetz und den Volkswillen abgestützte Verhältnisse herzustellen.

Kurzfristig muss der Bundesrat deshalb klare Ordnungsvorschriften erlassen. Da viele ARK-Entscheide dem Willen des Gesetzgebers und des Volkes zuwiderlaufen und sich die einzelnen Richter auch weiterhin auf ihre Unabhängigkeit berufen können, ist mittelfristig die ARK neu zu konzipieren, und es ist eine einfachere, effizientere, gesetzestreue Form des Rekurswesens - nötigenfalls auf der Basis eines asylspezifischen Beschwerdeverfahrens - einzuführen.



Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau


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