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Augenschein im ehemaligen Ostpreussen
Artikel / Leserbrief, 18. August 2008


Ostpreussen/Masuren hat vor allem für ältere Leute einen fast magischen Klang. Städte und Orte wie Königsberg, Marienburg, Allenstein, Tannenberg, Rastenburg, Gumbinnen, Lötzen, Nikolaiken, Johannisburg, Angerburg und viele andere tauchen vor dem geistigen Auge auf. Aber es ist eine weitgehend verschwundene Welt, eine untergegangene Kultur. Die Orte heissen heute Kaliningrad, Malbork, Olsztyn, Stebark, Ketrzyn, Gusev, Gizycko, Mikolajki, Pisz, Wegorzewo.

1945, mit dem Ende des von den Nazis entfesselten Zweiten Weltkrieges, wurde Ostpreussen, eine Brandungszone der Weltgeschichte, von der Roten Armee überrollt. Ein grosser Teil Ostpreussens ist heute polnisch, der nördliche Teil ist russisch. Wie meist bei kriegerischen Auseinandersetzungen sind Unschuldige die Leidtragenden. Die ostpreussische deutsche Bevölkerung ist geflohen oder wurde vertrieben, Tausende wurden umgebracht. An ihrer Stelle wurden Polen aus dem von der damaligen Sowjetunion annektierten Ostpolen zwangsangesiedelt. Eine neue Kultur, eine neue Welt ist im Aufbau, zögerlich zwar, aber unaufhaltsam – wie es dem Lauf der Geschichte entspricht.

Die Landschaft Ostpreussens und der masurischen Seenplatte mit Hunderten von Seen ist über weite Strecken eine wunderschöne leicht hügelige Moränenlandschaft mit Feldern, Wäldern und voller Naturschönheiten – mit Tausenden von Störchen, deren Nester in jedem Dorf anzutreffen sind. Immer wieder sieht man Kirchen sowie einzelne mächtige mittelalterliche Ordens- und Deutschritterburgen, mit denen das Land im Osten seinerzeit in Besitz genommen und verteidigt wurde. Einige dieser Burgen sind zu Hotels ausgebaut worden. Anderseits gibt es auch viele ärmliche Gegenden mit zerfallenen Bauernhäusern und andern Hausruinen, sowie grosse Flächen brachliegenden Landes. Daneben sieht man aber auch neue Häuser, Hotels für den zunehmenden Tourismus, attraktive Dorfplätze und renovierte oder neue Stadtquartiere. Es gibt auch wieder einzelne grössere Bauernhöfe mit modernen Traktoren (insbesondere der Marke „Ursus“) und Maschinen, umgeben von grossen Weizen-, Korn- und Maisfeldern.

Zu einem Besuch Ostpreussens/Masurens gehört auch die Besichtigung der berühmt-berüchtigten „Wolfsschanze“ bei Rastenburg (Ketrzyn), dem Führerhauptquartier, in dem Hitler von 1941-44 rund 800 Tage weilte, bis die riesige Bunkeranlage und Befehlszentrale am 24. Januar 1945 wegen der heranrückenden Roten Armee von deutschen Pionieren gesprengt wurde. Dies gelang allerdings wegen der bis 10 Meter dicken Bunkerdecken und der 6-8 Meter dicken Seitenwände aus Stahlbeton nicht vollständig, sodass noch einiges vorhanden ist. In der „Wolfsschanze“ waren seinerzeit, inklusive Infrastruktur, rund 2000 Personen tätig. Bekannt wurde die Wolfsschanze vor allem auch darum, weil dort Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 sein berühmtes Attentat auf Hitler ausführte, das leider misslang, das aber Zeugnis ablegt vom mutigen Widerstand Stauffenbergs, seiner Mitverschwörer und vieler Deutscher gegen den Nationalsozialismus.

Im Hotel traf ich per Zufall einen 80-jährigen Zeitzeugen, der bei Kriegsende 16-jährig war, Herrn Lomska aus dem einstigen ostpreussischen Dorf Walpunen (heute Walpuny), der heute in Westfalen lebt. Er ist nach vielen Jahren wieder für zwei Wochen in seine einstige Heimat zurückgekehrt. „Leider ist unser damaliger Bauernhof weitgehend zur Ruine zerfallen“ – eine harte Erfahrung, die er eben verkraften müsse. Bei mehreren Gesprächen erzählt er mir, wie er und seine Familie damals lebten und wie es war, als der „Gauleiter“ verspätet die Evakuierung des Dorfs befahl, als bereits die Russen kamen. Er sei dann zur Zwangsarbeit in der Gegend verpflichtet worden. Die Russen seien aber im grossen Ganzen korrekt gewesen. Später, als die zwangsweise umgesiedelten Leute aus dem Osten gekommen seien, („hatten ja selbst nichts“), habe es regelmässig nächtliche Überfälle gegeben, und was nicht niet- und nagelfest war, sei gestohlen worden.

Hass verspürt der Mann heute keinen mehr. „Ich habe meine Heimat verloren, aber ich bin noch einmal davon gekommen. Es trifft halt immer die Unschuldigen. Hoffentlich lernt die Menschheit endlich dazu“, meinte er leise.


Nationalrat Hans Fehr, SVP/ZH, Geschäftsführer AUNS


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