112 Mitglieder des Nationalrates, also mehr als die Hälfte,
fordern den Bundesrat mit einer kürzlich eingereichten Motion auf,
im Jubiläumsjahr 1998 eine Amnestie für "Papierlose"
zu erlassen. Im Klartext: Ausländer, welche sich seit einer bestimmten
Zeit widerrechtlich in der Schweiz aufhalten, sollen eine Aufenthaltsberechtigung
erhalten.
Die Frage stellt sich: Sind diese 112 Nationalräte von allen guten
Geistern verlassen? Soll tatsächlich jenen Zehntausenden von Ausländern,
welche als illegale Einwanderer, als Touristen oder Saisonniers ins Land
gekommen sind und widerrechtlich hier bleiben und schliesslich untertauchen,
nachträglich der staatliche Segen erteilt werden? Sollen jene Zehntausenden
von Asylanten, welche illegal in die Schweiz gekommen sind und ihre Papiere
weggeworfen haben, jetzt für den Missbrauch des Asylrechts auch noch
belohnt werden? Sollen die vor einigen Jahren vom Volk beschlossenen Zwangsmassnahmen
im Ausländerrecht, welche den Behörden endlich ein Mittel in
die Hand geben, um gegen Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung vorzugehen,
ausser Kraft gesetzt werden? Soll Unrecht zu Recht erklärt werden?
112 "Volksvertreter" im Parlament
Ich weiss nicht, was sich die 112 Nationalrätinnen und Nationalräte
aus dem linken, grünen und bürgerlichen Lager (siehe Namensliste)
bei der Unterzeichnung der Motion Fankhauser (SP, Basel-Land) gedacht
haben. Sehr viel kann es nicht gewesen sein. Offenbar weil das Jubiläumsjahr
1998 der Eidgenossenschaft vor der Türe steht und weil bald Weihnachten
ist, wirft man den Rechtsstaat leichtfertig über Bord. Wie blöd
müssen sich eigentlich jene Schweizerinnen und Schweizer vorkommen,
die wegen Kleinigkeiten, beispielsweise wegen ein paar Minuten zu langem
Parkieren, unerbittlich zur Rechenschaft gezogen werden, während
gleichzeitig die Mehrheit des Nationalrates mit einem Federstrich den
Rechtsstaat in einem äusserst heiklen Bereich ausser Kraft setzen
will.
Nein zu einer falschen Solidarität
Die Motionäre begründen ihre Forderung nach Amnestie damit,
dass man den Papierlosen "ihre Würde zurückgegeben"
wolle. Mit der Amnestie habe die Schweiz die Möglichkeit, den Solidaritätsgedanken,
"der die offizielle Politik künftig vermehrt leiten soll",
konkret umzusetzen. Ich kann diese Begründung nicht akzeptieren.
Es geht nicht an, unter dem wohltönenden Begriff "Solidarität"
Rechtsbrüche und illegales Verhalten zu sanktionie ren und zu belohnen.
Ein Rechtsstaat, der rechtswidriges Verhalten belohnt, macht sich unglaubwürdig,
und er lädt potentielle Rechtsbrecher geradezu zum Rechtsbruch ein,
weil es sich ja lohnt. Eine Amnestie für Rechtsbrecher und Illegale
kann nicht in Frage kommen!
von Nationalrat Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS,
Eglisau
|