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Die negativen Aspekte der Bilateralen Verträge
Der Preis ist zu hoch!
Artikel, 6. Oktober 1999


Am 6. Dezember 1992 haben sich Volk und Stände mit dem Nein zum EWR-Kolonialvertrag für den bilateralen Weg entschieden, also für Kooperation (partnerschaftliche Zusammenarbeit) mit der EU, und nicht für Integration (Einbindung). Die jetzt vorliegenden Verträge sind in der Gesamtbilanz leider schlecht für die Schweiz.

Noch folgenschwerer sind die sogenannten "flankierenden Schutzmassnahmen", wo sich fast auf der ganzen Linie die Linke, die Gewerkschaften und die Verkehrsumlagerungs-Phantasten durchgesetzt haben. Ich werde deshalb das Gesamtpaket bei der Schlussabstimmung vom 8. Oktober im Nationalrat ablehnen. Ob ein Referendum sinnvoll ist, muss aber sehr gut überdacht werden.

Die bilateralen Verhandlungen in den 7 Bereichen Forschung, Luftverkehr, Landverkehr, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen, Personenverkehr und technische Handelshemmnisse standen von Anfang an unter einem schlechten Stern. Warum? Weil der Bundesrat, verschiedene Parteien und Politiker die Verträge nur als Etappe auf dem Weg zum raschen EU-Beitritt deklariert haben. Einem Land, das ohnehin der EU beitritt und damit das EU-Recht in allen geregelten Bereichen zu übernehmen hat, macht man doch keine Zugeständnisse!

Negativbilanz
Neben einigen kleinen Vorteilen - beispielsweise beim Luftverkehr oder bei den technischen Handelshemmnissen - müsste die Schweiz vor allem beim freien Personenverkehr, beim Landverkehr und bei der Landwirtschaft schwere Nachteile in Kauf nehmen!

  • Personenverkehr: Wir hätten Sozialleistungen (Arbeitslosengelder, AHV, IV, Krankenversicherungsleistungen) in Milliardenhöhe für EU-Bürger zu zahlen. Die vom Bundesrat beschönigten Kosten von einigen hundert Millionen Franken sind eindeutig zu tief angesetzt.

Beispiel 1: Die Kurzaufenthalter (an Stelle der bisherigen Saisonniers) haben das Recht auf sofortigen Familiennachzug, und sie müssen die Schweiz nach Ablauf ihres Kurzaufenthaltes (z.B. 9 Monate) nicht verlassen. Im Gegenteil: Weil in der EU in bezug auf Arbeitslosenunterstützung das Wohnsitzprinzip gilt, fährt der nach dem Kurzaufenthalt "Arbeitslose" besser, wenn er samt Familie in der Schweiz bleibt. Sofern 90'000 Kurzaufenthalter nach 9 Monaten Arbeit für die restlichen 3 Monate Arbeitslosenunterstützung beziehen und wenn davon auch nur 10% (bis maximal 520 Tage) arbeitslos bleiben, so fallen bei einem Durchschnittssalär von Fr. 4'000.- pro Monat bereits Arbeitslosenkosten von jährlich mehr als 1 Milliarde an.

Beispiel 2: Nach EU-Recht ist die Krankenversicherung für die ganze Familie in jenem Land abzuschliessen, wo das Haupteinkommen erzielt wird. Für die Schweiz würden auch hier hohe Kosten anfallen.

  • Landverkehr: Ab 2005 haben die 40 Tönner aus der EU freie Fahrt auf unseren Transit- und Zufahrtsstrassen. Nichts und niemand wird die Lastwagenflut auf die Schiene bringen.

  • Landwirtschaft: Nach 5 Jahren gilt der völlig liberalisierte Käsehandel zwischen der Schweiz und der EU. Billige Importprodukte ohne unsere hohen Qualitäts- und Produktionsanforderungen werden unser Land überschwemmen. Der Milchpreis wird auf rund die Hälfte absacken, und viele Schweizer Bauern werden keine Existenz mehr haben.

Flankierende Massnahmen
Weil die Arbeitsgeberverbände (Schweizerischer Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Wirtschaftsförderung) die bilateralen Verträge schon seit langer Zeit hochgejubelt und immer wieder beteuert haben, dass sie die Verträge um fast jeden Preis wollen, haben Linke und Gewerkschaften bei den flankierenden Massnahmen ihre alten gewerkschaftlichen Forderungen ungehemmt "daraufgebuttert".Die folgenschwere Konsequenz: Starre Kollektiverträge mit staatlich regulierten Mindestlöhnen können im Streitfall (bei "Lohndrückerei") durchgesetzt werden. Und ein starres arbeitsrechtliches Korsett von Gesamtsarbeitsverträgen (GAV) wird den Standort Schweiz schwächen, weil die GAV für ganze Branchen verbindlich erklärt werden können, sofern ein Quorum von 30 Prozent (!) der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aus der entsprechenden Branche einverstanden ist.

Höchstes Lohnniveau in Europa
Die Schweiz hat heute (noch) das höchste Lohnniveau in Europa. Wenn man die Berufe vergleicht, dann verdient niemand in Europa - auch mit Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten - soviel wie in der Schweiz. Ein massgeblicher Grund dafür ist unsere auf Selbstverantwortung und Flexibilität bedachte Politik. Die Allmacht der Gewerkschaften und das Korsett von kollektiven Verträgen hat England fast in den Ruin getrieben und musste mit Gewalt gebrochen werden. Was also andernorts gescheitert ist - die Möglichkeit der staatlichen Lohnfestsetzung und die erleichterte Einführung von starren Kollektivarbeitsverträgen - soll bei uns unter dem wohltönenden Titel "flankierende Schutzmassnahmen" durch die Hintertüre eingeführt werden. Die gewerkschaftlichen Zementierungen bringen zwangsläufig eine Senkung des Lohnniveaus, und sie vernichten Arbeitsplätze; Unternehmen werden in ihrer Flexibilität geschwächt und zum Teil ins Ausland abwandern.

Vom Regen in die Traufe
Auch im Bereich des Landverkehrs wird es trotz Umlagerungsgesetz (ab 2009 sollen maximal noch 650'000 schwere Lastwagen auf der Strasse die Alpen überqueren) und trotz der milliardenschweren zusätzlichen Förderung des Bahn-Güterverkehrs (2,85 Milliarden Franken in den Jahren 2000 - 2010) nicht gelingen, die EU-Lastwagenflut auf die Schiene zu bringen. Insgesamt kommen wir vom Regen (bilaterale Verträge) mit den flankierenden Massnahmen in die Traufe. Es ist unverständlich, dass das Parlament nicht bereit war, das Geamtpaket in Anbetracht seiner grossen Tragweite der obligatorischen Volksabstimmung zu unterbreiten. Will man die negativen Seiten am Volk vorbeischmuggeln? Immerhin - ein positiver Punkt bleibt: Nach 7 Jahren Personenfreizügigkeit und im Fall der EU-Osterweiterung hat das Volk die Möglichkeit, mit fakultativem Referendum über die Weiterführung der Verträge zu entscheiden.

Für mich ist das zu wenig. Ich werde das Gesamtpaket am 8. Oktober ablehnen. Die schwerwiegenden Konsequenzen der Verträge und der flankierenden Massnahmen dürfen unserem Land nicht zugemutet werden. Die Schweiz ist nicht existentiell auf diese Verträ-ge angewiesen, deren Bedeutung ohnehin weit überzeichnet wird. In wenigen Jahren werden wir mit der EU bessere Verträge aushandeln, denn sie hat alles Interesse daran.


Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau


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