Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Armee

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 8 meiner Erlebnisse aus rund 1400 Tagen Militär

"Johann ohne Land"

Mit der "Armee 95" werden - wie bereits erwähnt - die 16 Betreuungsabteilungen aufgelöst. Militärisch stehe ich nun quasi als "Johann ohne Land" da. Das ist aber nicht der Fall. Denn ich werde nun im Territorialregiment (Ter Rgt) 41/ZH zunächst Chef des militärischen Betreuungsdienstes, der in anderer Form weitergeführt wird.

Wir gehören zur Territorialdivision (Ter Div) 4 unter Divisionär Hans Gall, einem sehr agilen Kommandanten, der als guter Kommunikator offen auf die Leute zugeht und seinen gewaltigen "Laden" im Griff hat. Dieser besteht im Wesentlichen schlussendlich aus einer Übermittlungsabteilung, fünf Territorialregimentern (eines pro Kanton), zwei Spital- und zwei Versorgungsregimentern sowie einem 1 Rettungsregiment.

Die damalige Ter Div 4 hat den folgenden Kernauftrag: Sie ist das militärische Bindeglied zu den Kantonen ZH, SH, AR, AI, SG und TG. Sie gewährleistet die Logistik für das Feldarmeekorps 4 (Gall: "Ohne uns liegt das FAK 4 lahm.") Sie ist verantwortlich für die Führung von subsidiären Einsätzen zugunsten der zivilen Behörden (zum Beispiel im Katastrophenfall), sowie für Unterstützungs- und Sicherungseinsätze in ihrem Raum und für allfällige Katastrophenhilfe auch im grenznahen Ausland.

Meine neue "militärische Heimat", das Ter Rgt 41/ZH, ist mit rund 3000 Mann der grösste Verband der Division und besteht aus vier Infanteriebataillonen. Diese sind besonders geeignet für die Bewachung lebenswichtiger ziviler Infrastruktur-Objekte(Bahnhöfe, Verkehrsknotenpunkte, Kraftwerke, Versorgungseinrichtungen, Schaltanlagen und dergleichen) sowie für infanteristische Kampfeinsätze. Kommandant ist zunächst Oberst i Gst Jürg Guggisberg, danach Oberst i Gst Jürg Frutiger, zwei unterschiedliche aber sehr fähige Leute.

Beim Kommandowechsel zu Frutiger macht im Stab die unfrohe Botschaft die Runde: "Achtung. Jetzt kommt einer, der im auch im heiklen Territorialbereich - dem Scharnier zwischen Militär und zivil - mit der "Schürfraupe" ans Werk geht!" Denn er führt mit seinem Bruder die Firma Frutiger, die sich auf schweres Gerät, auf Schürfraupen, Baumaschinen, Reinigungsanlagen für schwere Lastwagen und dergleichen spezialisiert hat. Die Realität: Alles dummes Geschwätz! Frutiger führt das Regiment von Beginn an ausgezeichnet, er hat einen guten Draht zu den Leuten, und man weiss, was er will.

Als das Regiment unter Zeitdruck vor einer grösseren Verschiebung für einen raschen Einsatz steht, soll der Verkehrs- und Transportoffizier, immerhin ein Major, die Verschiebung befehlen. Die Sache entwickelt sich "unerfreulich" - langfädig, kompliziert und untauglich. Da reisst selbst Frutiger der Geduldsfaden, er fällt dem Transportchef ins Wort und ruft: "Das Ganze halt, ich befehle!" Und er gibt in knappen Worten einen unmissverständlichen, mustergültigen Verschiebungsbefehl. Keine Fragen. Alles ist klar.

*

1996 absolviere ich die Zentralschule III im Armeeausbildungszentrum Luzern (AAL), wo wir zusammen mit den "Generalstäblern" mehrere Übungen durchführen. Das Ziel: Unter Zeitdruck brauchbare Lösungen liefern. Das Prinzip: Besser ein brauchbarer Entschluss zur rechten Zeit, als ein bis ins Detail ausgefeilter und mit allen technischen Mitteln noch so "schön" präsentierter Entschluss, der zu spät kommt. Tönt banal. Ist aber nicht selbstverständlich. Mein Eindruck: Die Generalstäbler mögen die besseren Systematiker sein. Wir "Nicht-Generalstäbler" präsentieren dafür zum Teil bessere, unkonventionelle und zeitgerechte Entschlüsse.

Im Ter Rgt 41 ZH werde ich danach Chef eines Verbindungstabes mit dem Auftrag, unsere Einsätze zugunsten der zivilen Behörden zu regeln und zu koordinieren. Bei einer grösseren Übung im Raum Winterthur habe ich u.a. auch mit Hans Hollenstein, damals Stadtrat und später Regierungsrat, zu tun. Er ist verantwortlich für den Bereich Sicherheit und Umwelt, und damit u.a. für Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz. Die Zusammenarbeit funktioniert reibungslos. Sehr bald sind die Absprachen getätigt. Der leutselige Hollenstein lädt dann gern zu einem Glas Bier, er liebt es, über Gott und die Welt zu reden - und alle Probleme scheinen mehr oder weniger gelöst.

*

1998 kommt es nach bei einer Übung auf dem Olma-Gelände in St. Gallen wegen mir zu einem kleinen Eclat. Übungsthema: Das Bundeshaus kann wegen Terrorgefahr nicht benützt werden. Eine Session des Parlaments, dem ich seit 1995 (für 20 Jahre) selbst angehöre, muss in eine grosse Olma-Halle "ausweichen" und die Session dort durchführen. Unser Regiment hat wesentliche Sicherungsaufträge bekommen. Als ich einem Kontingent den Einsatzbefehl erteile, erläutere ich unseren Auftrag (" … gewährleistet die Sicherheit der Parlamentarier ...") und bemerke leise und wohl etwas boshaft "sofern es sich denn lohnt."

Nach kurzer Zeit konfrontiert mich der Divisionskommandant mit einem bissigen Kommentar des Journalisten Bruno Vanoni im Tagesanzeiger, der mir und damit quasi "dem Militär" mangelnden Respekt vor dem Parlament vorwirft und auch den Divisionär in ein schiefes Licht zu stellen versucht. Offensichtlich hat ein mir unbekannter Wehrmann meine vorlaute Bemerkung flugs dem Tagesanzeiger gemeldet. Ich kläre die Sache mit Divisionär Gall bei einem Glas Wein und informiere auch Vanoni. Die Aufregung legt sich, und die Angelegenheit ist erledigt. Fazit: Meine Bemerkung war vielleicht punktuell zutreffend - aber nicht sehr intelligent.

(Fortsetzung folgt)

Hans Fehr