Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH
Teil 10 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver PolitikAm 27. November 1999 erscheint in der „Basler Zeitung“ das folgende bemerkenswerte Interview zur Bundesratskandidatur des damaligen SVP-Nationalrates und Auns-Präsidenten Christoph Blocher. Die Fragen stellte Niklaus Ramseyer, damals und heute immer noch ein Journalist erster Güte.
Herr Blocher, wann haben Sie sich zur Kandidatur für den Bundesrat entschlossen, gleich nach den Wahlen? Blocher: Nein, erst heute.
Hat denn die SVP-Fraktion Sie überreden müssen? Die Fraktion sagte, du musst gehen, du musst antreten. Und ich habe das eingesehen und gesagt, gut, ich mache es.
Was geschieht mit Ihrer Firma, der EMS-Chemie, wenn Sie gewählt werden? Da werde ich schon eine Lösung finden. Darüber rede ich jetzt nicht.
Und was passiert mit der Auns? Auch da werde ich eine Lösung finden. Die Auns hat ja viele Mitglieder.
Sie treten gegen Bundespräsidentin Dreifuss an… … nicht gegen Frau Dreifuss, sondern gegen die Sozialisten. Das sind unsere politischen Gegner.
Aber Ihre Kandidatur richtet sich zuerst gegen Dreifuss. Ist das nicht heikel wegen der Romandie? Das muss das Parlament entscheiden. Es kann ja Frau Dreifuss wählen und mich dann anstelle von Herrn Leuenberger.
Was würden Sie mit der AHV tun, wenn Sie Bundesrat würden? Das Rentenalter erhöhen? Ich bin für 65 bei Mann und Frau. Und würde eine Lösung suchen, ohne dass in den nächsten zehn Jahren die Mehrwertsteuer erhöht werden müsste.
Und bei der Krankenversicherung? Ich würde mich dafür einsetzen, dass die Prämien zurückgehen – durch Verkleinerung des Leistungskatalogs.
Was würden Sie EU-politisch ändern wollen? Ich bin klar gegen das strategische Ziel eines EU-Beitritts, das der Bundesrat immer noch verfolgt. Und ich würde mich generell für die Unabhängigkeit des Landes einsetzen.
Auch gegen Ihren Parteikollegen Adolf Ogi, wenn er bewaffnete Truppen ins Ausland schicken will? Selbstverständlich. Ich wäre ja gewählt, um im Bundesrat meine Auffassung zu vertreten.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein? Gering.
Christoph Blocher wird bekanntlich dann vier Jahre später (2003) in einer historischen Wahl tatsächlich Bundesrat – erstens, weil seine Kompetenz unbestreitbar ist, zweitens weil sich der gewaltige Wahlerfolg der SVP endlich auch in der Landesregierung abbilden muss, und drittens, weil seine politischen Gegner hoffen, ihn damit ins Kollegium einbinden und quasi ins „Gefängnis Bundesrat“ einschliessen zu können. Dass er dort „statt zum Gefangenen rasch zum Gefängnisdirektor“ avanciert (Ausspruch von Pascal Couchepin), haben sie nicht vorausgesehen.
Fast gleichzeitig, im November 1999, wird Blochers enger politischer Weggefährte Walter Frey einstimmig zum neuen SVP-Fraktionspräsidenten gewählt. Frey wird die Fraktion bis Ende 2001 vorbildlich führen und dannzumal aus geschäftlichen Gründen („Der Kapitän gehört in anspruchsvollen Situationen auf die Kommandobrücke“) aus seinen politischen Ämtern ausscheiden. Während 17 Jahren hat er u.a. die Zürcher Stadtpartei zum Erfolg geführt, und während 14 Jahren war er als kompetenter und eloquenter Nationalrat und Verhandlungspartner weit über die Parteigrenzen hinaus geschätzt.
Ende 1999 ist der Bergier-Flüchtlingbericht über das Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg in aller Munde. Die Verantwortlichen jener schwierigen Zeit und die Schweiz insgesamt werden unseres Erachtens zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die Auns verurteilt den Bergier-Bericht mit den folgenden Worten als parteiisch und selbstgerecht:
Linke Historiker und Experten aus dem In- und Ausland massen sich an, aus heutiger Sicht über die damalige Schweiz und die verantwortlichen Behörden zu Gericht zu sitzen. Obwohl die seit dem Ludwig Bericht (1957) bekannten Fakten keine Korrekturen erfahren, nehmen die Verfasser des Berichts unhaltbare Schuldzuweisungen an die damalige Staatsführung vor. Sie kritisieren, dass die schweizerischen Entscheidungsträger der Wahrung der Unabhängigkeit und der wirtschaftlichen Stabilität unseres Landes erste Priorität eingeräumt haben.
Der Bericht verkennt, dass die damaligen Behörden und das ganze Schweizervolk unter schwierigsten Umständen eine hervorragende Gesamtleistung erbracht haben. Sie haben unser Land und seine Bevölkerung – darunter rund 300‘000 Internierte und Flüchtlinge – vor den Schrecken des Krieges und der Besetzung, vor Tod, Hunger und Elend bewahrt. Vorübergehend mag die Flüchtlingspolitik aus heutiger Sicht etwas zu hart gewesen zu sein. Der Bericht unterschlägt jedoch, dass die Schweiz damals mehr jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat als jedes andere Land.
Die Auns fordert den Bundesrat eindringlich auf, sich vom parteiischen und selbstgerechten Bergier-Bericht zu distanzieren und auf erneute Entschuldigungen zu verzichten.
(Fortsetzung folgt)