Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 29 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Gegen die Jahresmitte 2004 kommt unser Kampf gegen den Schengen/Dublin-Beitritt mehr und mehr in die „heisse“ Phase. Wir erstellen umfassende Argumentarien und starten eine breit angelegte Aufklärungskampagne mit Inseraten, um aufzuzeigen: Schengen – mit der Abschaffung der Personenkontrollen an unserer Landesgrenze – bringt ein grenzenloses Europa und „Freie Fahrt für Kriminelle“.

Im Hinblick auf „Schengen“ und den von den „Heimatmüden“ vorangetriebenen EU-Beitritt erweist sich zum 1. August das geniale Meisterwerk „Wilhelm Tell“ von Friederich Schiller (1759-1805) als wahre Fundgrube, um jenen Kreisen den Spiegel vorzuhalten, die unser Land mit seinen besonderen Stärken innerlich bereits aufgegeben haben und sich nach internationalen Pöstchen und Auftritten auf grossen Uno- und EU-Bühnen sehnen.

Eine besonders symbolträchtige Figur ist Schillers Rudenz, der nach einem Aufenthalt am Fürstenhof in Seide, Purpur und Pfauenfeder herumstolziert und mit Verachtung auf seine Landsleute herabblickt. Und er weiss – gegenüber seinem Oheim Attinghausen – genau, wie der habsburgische Druck wegzunehmen und seine Heimat zu retten ist:

„Es kostete eine einzig leichtes Wort, um augenblicks des Dranges los zu sein und einen gnäd’gen Kaiser zu gewinnen.“

Und direkt zu Attinghausen gewandt, fährt Rudenz fort:

„Habt Ihr nicht höhern Stolz, als hier Landammann oder Bannerherr zu sein und neben diesen Hirten zu regieren? Wie? Ist’s nicht eine rühmlichere Wahl, zu huldigen dem königlichen Herrn, sich an sein  glänzend Lager anzuschliessen. (…) Anderswo geschehen Taten, eine Welt des Ruhms bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge.“

Dazu der Kommentar von Christoph Mörgeli in der 1. August-Nummer 2004 des „Grauen Briefes“: „Da denken wir doch unweigerlich an Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der sich nach eigenen Worten bei einem Brüsseler Mittagessen vom Schengen-Skeptiker zum Schengen-Befürworter gewandelt hat.“

Und Rudenz doziert weiter:

„Vergebens widerstehen wir dem König, die Welt gehört ihm, wollen wir allein uns eigensinnig steifen und verstocken, die Länderketten ihm zu unterbrechen, die er gewaltig rings um uns gezogen? (…) Von seinen Ländern wie mit einem Netz, sind wir umgarnet rings und eingeschlossen.“

Der damalige Kommentar der Auns: Die vom genialen Schiller beschriebene Kleinmütigkeit, Renommiersucht und internationale  Wichtigtuerei und die damit einhergehenden Minderwertigkeitskomplexe gegenüber supranationaler „Grösse und Macht“ sind heute so aktuell wie vor über 700 Jahren. Das zeigt sich auch mit dem Schengen-Vertrag (und später mit dem sogenannten Rahmenvertrag)

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Gleichzeitig wird aus dem Bundeshaus – natürlich mit Steuergeldern – eine breit angelegte, vertrauliche Kampagne pro Schengen unter dem Deckmantel „Schengen/Dublin-Informationskonzept“ geführt. Dieses „Konzept“ stellt alle bisherigen bundesrätlichen Abstimmungs-Manipulationen in den Schatten. Unter der Ägide des Integrationsbüros (es ist Bundesrätin Calmy-Rey und Bundespräsident Deiss unterstellt) und des Bundesamtes für Justiz ist zur Lobpreisung von Schengen/Dublin verwaltungsübergreifend und unter Einbezug zahlreicher „Zielgruppen“ ein Manipulations-Netzwerk auf die Beine gestellt worden, das seinesgleichen sucht. Dieses Netzwerk wird v.a. durch Bundesgelder finanziert und betätigt sich im Auftrag des Bundesrates als Schengen-Propagandazentrale. Auf den Fact-Sheets (Neudeutsch für angebliche „Faktenblätter“), Broschüren und Verlautbarungen des Integrationsbüros werden die  gravierenden Nachteile von Schengen unterschlagen oder schöngeredet. Zudem unterstützt das Integrationsbüro u.a. die Neue Europäische Bewegung Schweiz (NEBS), die sich laut Statuen für einen „raschen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union“ einsetzt. Die NEBS erhält jährlich zwischen 19‘000 und 125‘000 Steuerfranken.

Ins gleiche Kapitel skandalöser Staatspropaganda gehört die Unterstützung der „Schweizer Revue“ für Auslandschweizer, die 360‘000-fach erscheint, sich ebenfalls massiv als Schengen-Propagandablatt gebärdet und seit 1995 über 20 Millionen Franken Bundesgelder (sprich Steuergelder) erhalten hat. Wir prangern diese skandalösen Machenschaften an einer Auns-Pressekonferenz an und illustrieren das Ganze mit einem Plakat, das die „Giftmischer im Bundeshaus“ an den Pranger stellt. 

Zudem agieren wir mit parlamentarischen Vorstössen, öffentlichen Veranstaltungen, Strassenaktionen und Leserbriefkampagnen und verbreiten „auf allen Kanälen“ Informationen über die gravierenden Folgen von Schengen. Der Start zur Referendums-Unterschriftensammlung gegen Schengen erfolgt – wie bereits erwähnt – mit einer Grossaktion am 28. Dezember 2004 gleichzeitig in über 20 Städten.

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Nach dem überraschenden Rücktritt von SVP-Regierungsrat und Finanzdirektor Christian Huber, Pfäffikon, der sich mit der „Rennleitung“ der SVP überworfen hat, wird Toni Bortoluzzi, Nationalrat seit 1991 und Schreinerei-Inhaber in Affoltern a. A., von den Delegierten am 1. November 2004 einstimmig  für die Ersatzwahl vom 27. Februar 2005 nominiert. Man ist überzeugt, dass der weit über die Parteigrenzen hinaus anerkannte Gewerbepolitiker und Spezialist für sozial- und gesundheitspolitische Belange auch in der Zürcher Regierung gute Arbeit leisten wird.

Weil Bortoluzzis Konkurrent, der nette CVP-Kandidat Hans Hollenstein, Winterthur (der stets „für den Frieden“ ist und glaubt, alle Probleme liessen sich bei einem Bier beseitigen) dank der eifrigen Unterstützung von Rot-Grün und wegen dem zum Teil fehlenden FDP-Sukkurs für Bortoluzzi mehr Stimmen erhält als erwartet, und weil niemand – auch nicht die Grüne Ruth Genner – das absolute Mehr erreicht, kommt es zu einem zweiten Wahlgang. Bortoluzzi entschliesst sich jedoch, nicht mehr anzutreten, sodass der Klotener Stadtpräsident Bruno Heinzelmann, ebenfalls eine ausgewiesene Persönlichkeit, die sehr gut vernetzt ist, auf den Schild erhoben wird.

Für jedermann ist es klar: Nur mit Heinzelmann kann verhindert werden, dass die Zürcher Kantonsregierung erstmals auch numerisch nach links kippt. Dennoch reicht es am 10. April 2005 nicht ganz: Hollenstein wird mit noch massiverer Unterstützung von Links und den grünen Stimmen von Ruth Genner, die nicht mehr antritt, gewählt. Nicht zum Vorteil des Kantons Zürich!

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr