Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Die Ukraine soll kapitulieren?

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Kurzartikel 6.6.2022

Der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger, aber auch Möchtegern-Strategen in der Schweiz, raten dem ukrainischen Präsidenten Selensky, dem Blutvergiessen ein Ende zu bereiten: Die Ukraine soll kapitulieren und auf die umkämpften und zum Teil besetzten östlichen Gebiete sowie auf die bereits 2014 annektierte Krim verzichten.

Ich erachte diesen Ratschlag als ungeheuerlich und geradezu als „Dolchstoss“. Da verteidigt ein Volk mitten in Europa seine Freiheit und Unabhängigkeit gegen den brutalen Angriffskrieg Putins – einen Angriffskrieg, der seit dem Nürnberger Prozess und gemäss dem internationalen Völkerrecht ein Kriegsverbrechen ist. Und da kommen nun Leute, die bei jeder Gelegenheit von Recht und Freiheit reden, den Freiheitskampf der Finnen von 1939/40 loben und Wilhelm Tell zitieren. Und genau sie raten jetzt dem Opfer Ukraine zum Gebietsverzicht und zur Kapitulation – und würden damit einen Kriegsverbrecher „belohnen“. Sie vergessen, dass Machtbesessene immer nur dann zur Besinnung gekommen sind, wenn man ihnen glaubhaft klargemacht hat: bis hier und nicht weiter!

Dass die neutrale Schweiz Letzteres nicht bewirken kann, ist wohl klar. Um glaubwürdig zu bleiben, muss die offizielle Schweiz gerade jetzt ihre (leider bereits beschädigte) Neutralität wieder hochhalten und sich auf humanitäre und friedensdiplomatische Dienste konzentrieren. Es ist die Aufgabe und Pflicht des Westens und insbesondere der USA und Europas, den ukrainischen Widerstand mit modernen Waffen und mit Hilfsgütern bestmöglich zu unterstützen. Sie verteidigen damit nicht nur die Ukraine sondern Europa und letztlich die freie Welt. Taugliche Waffenstillstands-und Friedensverhandlungen werden dereinst – und hoffentlich bald – nur möglich sein, wenn die Ukraine auch militärisch erfolgreich bleibt.

Hans Fehr, Eglisau