Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
Teil 10 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver PolitikAm 3. Februar 1989 findet die erste Albisgüetlitagung -
noch unter dem Titel "Parteitag/Parteifest" - bereits mit
900 Parteimitgliedern und Gästen statt. Neben Parteipräsident
Christoph Blocher haben wir Bundesrat Adolf Ogi eingeladen.
Sein Thema: "Wie meistert die Schweiz die verkehrs- und
energiepolitische Herausforderung?"
Ogis Kernaussage: "Wir brauchen Ideen, Visionen, Unternehmertum
in der Verkehrs- und Energiepolitik. Zuerst müssen wir jedoch
abräumen, was da an Verhinderungsinitiativen in den Weg gelegt
worden ist: Die Kernenergie-Ausstiegsinitiative (die Kernenergie
leistet einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Umweltproblems),
die Moratoriums-Initiative und die Kleeblatt-Initiative. Und
wir brauchen klare Schwerpunkte in der Verkehrspolitik: Bahn
2000, Autobahnnetz fertigbauen, eine neue Alpentransversale."
In seiner "Standortbestimmung in einer bewegten Zeit"
fordert Blocher "eine gute und starke Opposition, welche die
Regierung stärken und gleichzeitig Machtkartelle sprengen"
kann. Das Schweizer Volk sei in den vergangenen Wochen
aufgewühlt worden durch Amtsmissbrauch, unzulässige Vermischung
von privaten und öffentlichen Interessen, Vertuschungen,
Parteierklärungen und Dementis - und schliesslich wegen des
Rücktritts der ersten Bundesrätin (Elisabeth Kopp), der
bezeichnenderweise unter gleichzeitiger Beteuerung "rechtlicher
und moralischer Unschuld" erfolgt sei. "Dieser Fall ist
symptomatisch für die mangelnde Ernsthaftigkeit in der
politischen Tätigkeit und Ausdruck einer oberflächlichen
Einstellung zum Amt, wie das seit Jahren in Politik und Wirtschaft
gehandhabt, gepflegt, genossen und ausgenützt wird." Die Folge sei
ein gefährlicher Vertrauensschwund in den Staat und letztlich in die Demokratie.
Für die SVP heisse das: Geradliniger Kurs, überzeugtes
Einstehen für unsere Grundsätze - und vor allem: Keine Politik der
aufgeblasenen Ballone, sondern Kampf gegen einen verhängnisvollen Zeitgeist
.(Gerade mit Blick auf die Selbstbestimmungsinitiative auch heute von höchster Aktualität).
Im anschliessenden Unterhaltungsteil imitiert der
begnadete Kabarettist Fredy Lienhard Bundesrat Kurt Furgler "mit sym
spitzige Sanggaller Müli" derart meisterhaft, dass sich die Zuhörer
vor Lachen krümmen. Auch das gehört zum legendären Albisgüetli-Geist.
Die "Albisgüetlitagung" entwickelt sich rasch zum
Grossanlass mit nationaler Ausstrahlung: Christoph Blocher stellt
jeweils die politischen Weichen für das neue Jahr, und der Vertreter
oder die Vertreterin des Bundesrates hat unwidersprochen das letzte
Wort. Ein Grossanlass also von hoher politischer Kultur. Aber auch
ein fröhlicher Anlass mit gutem Essen, mit Musik, Unterhaltung
und einer besonderen Tombola: Von Beginn an habe ich eingeführt,
dass die Hauptgewinne aus einer aufpolierten Zementmischmaschine,
geliefert von der Firma Spleiss, gezogen werden, die ausschliesslich
die "Nieten" enthält. Das Motto "Aus Nieten werden Hauptgewinne"
sollte allerdings in der Politik nicht angewendet werden.
Im Lauf des Jahres 1989 wird das Chaos um die "Drogenhölle Platzspitz"
und den "Drogenmarktplatz Zürich" weltweit bekannt und eskaliert zur
Unerträglichkeit. Die Ursache ist klar: In der Schweiz und vorab in
Zürich wird entgegen dem gesetzlichen Auftrag eine Drogenpolitik des
Laisser-faire wie sonst nirgends auf der Welt praktiziert. Die
offene Drogenszene hat zu einer gewaltigen Sogwirkung und zu
verheerenden Zuständen mit Kriminalität, Brutalität und Mord geführt.
Die liberale Drogenpolitik hat versagt, weil dahinter eine verwahrloste
Lebensauffassung steht - jenes falsche Denken, das den jungen
Menschen als höchstes Ziel ein "Leben ohne Leiden", ohne Lasten,
ohne Verzicht und ohne Hindernisse vorgaukeln will - bis hin zum
ungenierten Zugang zu den Drogen. Als Mitglieder der Zürcher
Stadtbehörden, sogenannte Fachleute und sogar die kantonale
Justizdirektorin Hedi Lang, SP, auch noch für die Schaffung
sogenannter Fixerräume eintreten - von rechtsfreien Räume mit
straflosem Drogenkonsum - ist das Mass übervoll. Wir drohen,
Strafanzeige einzureichen gegen Leute, welche die Schaffung
solcher Fixerräume veranlassen.
Wir verlangen die folgenden Massnahmen gegen die
verhängnisvolle Kultivierung der Drogenszene:
1. Höchstes Ziel muss die Suchtfreiheit und der Schutz der Gesunden sein.
2. Der Drogenhandel muss wirksam bekämpft werden.
3. Gegen das organisierte Verbrechen (Drogenhandel, Geldwäscherei) ist
eine Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft zu schaffen.
4.
Das Betäubungsmittelgesetz ist strikte durchzusetzen.
5. Die Drogeninfrastruktur ist aufzulösen, das Platzspitzareal ist zu räumen.
6. Die Räumung muss im Rahmen einer konzertierten Aktion von
Polizei, Vormundschafts-, Fürsorge- und Strafverfolgungsbehörden erfolgen.
Es dauert aber trotz massivem Druck noch etliche Monate,
bis der "Platzspitz" endlich geschlossen wird. Weil die Behörden aber
nur halbherzig handeln, bildet sich im Areal "Letten" bald wieder eine
offene Drogenszene von geradezu apokalyptischen Ausmassen.
(Fortsetzung folgt)