Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der SVP

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 11 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Am 4. Juni 1989 kommt die Kleinbauern-Initiative "für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken" zur Abstimmung. Sie verlangt, dass der Agrarschutz (Abnahmegarantien, geschützte Preise, Absatzförderung) nur noch für "bäuerliche" Betriebe gilt. Als "bäuerlich" gilt ein Betrieb mit vorwiegend familieneigenen Arbeitskräften, der mindestens zwei Drittel des notwendigen Tierfutters selbst produziert.

Die Initiative ist sehr umstritten. Erstens äussert sich ein Gutachten des ETH-Instituts für Agrarwirtschaft kritisch zum Initiativtext: Viele Unklarheiten würden gravierende Probleme bei der Umsetzung verursachen. Zweitens kann die Initiative das Gegenteil ihres Titels bewirken: Ausgerechnet kleinere Betriebe, die wegen ihrer begrenzten Futterfläche auf zugekaufte Futtermittel angewiesen sind, könnten den Agrarschutz verlieren und wären in ihrer Existenz bedroht. Grossbetriebe würden hingegen bevorzugt, weil sie im Verhältnis zur ohnehin grossen Futterproduktion auch viel Futter zukaufen könnten. Und drittens wird die Initiative ausgerechnet von Denner massiv unterstützt, weil sie für den Billig-Grossverteiler ein ideales Importinstrument wäre. Denn die Initiative fordert auch, dass "bäuerliche Betriebe" kostendeckende Preise erhalten sollen - finanziert durch ein "Leistungssystem". Danach könnten Grossverteiler praktisch nach Belieben importieren und müssten nur einen gewissen Teil der Produkte im Inland beziehen.

Fazit: Die Kleinbauerninitiative - Hauptinitiant ist übrigens René Hochuli, der Vater der späteren "linksgrünen" Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli - hat bei der SVP keine Chance. Wir plädieren vielmehr für Verbesserungen in den Bereichen Tierschutz, Höchsttierbestände, Stallbauvorschriften und Gewässerschutz. Die Initiative wird schliesslich mit 51,1 % Nein- gegen 48,9 % Ja-Stimmen knapp verworfen.

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In der zweiten Jahreshälfte 1989 dominiert die GSoA-Initiative "für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik" die politische Debatte. Eine treibende Kraft ist der spätere SP-Nationalrat, Weltverbesserer, "Profi"-Wahlbeobachter (95 gut bezahlte Einsätze!) und "Spesenmillionär" Andreas Gross. Für uns ist es klar: Hier geht es um eine brandgefährliche Ideologie oder um naive Illusionen. Vor allem aber geht es um die Kernfrage: Wollen wir im Ernstfall wehrlos sein und auf das "Prinzip Hoffnung" setzen?

Im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. November organisieren wir auch zahlreiche Veranstaltungen. An der Delegiertenversammlung vom 5. September 1989 in Herrliberg treten zum Thema "Eine Schweiz ohne Armee?" die folgenden Referenten auf: Prof. Dr. Kurt Spillmann, Leiter der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik an der ETH, alt Bundesrat Dr. Leon Schlumpf, Dr. Carlo Jagmetti, Schweizer Botschafter in Paris, sowie Pfarrer Gerhard Blocher.

Spillmann betont: "Machtmissbrauch und Gewaltanwendung durch den Stärkeren sind eine unleugbare Realität in der Welt - und danach hat sich auch unser Handeln auszurichten." Leon Schlumpf unterstreicht die Notwendigkeit der Armee auch im innenpolitischen Alltag: "Die Schweiz kann ihre innenpolitische Handlungsfreiheit nur wahren, solange sie als selbstbestimmtes Land respektiert wird - ohne Armee ist dies unmöglich." Jagmetti erachtet eine glaubwürdige Landesverteidigung als "unabdingbare Voraussetzung für unsere aussenpolitische Glaubwürdigkeit." Nur schon die Diskussion um die Armeeabschaffung stosse im Ausland auf Unverständnis.

Während der messerscharfen Argumentation Gerhard Blochers könnte man eine Stecknadel auf den Boden fallen hören. Zwischen dem Auftrag der Armee und dem Gebot "Du sollst nicht töten" bestehe keinerlei Widerspruch. "Selbstverständlich muss Töten verboten sei, weil sonst das Faustrecht regiert." Anderseits sei die Ausübung von Gewalt in unserer Welt eine Tatsache. Die Anwendung von staatlicher Gewalt sei deshalb nötig, um den Schwachen zu schützen. "Sie muss jedoch ernsthaft und verantwortungsvoll eingesetzt werden", betont Gerhard Blocher. Letztlich müsse der Soldat sein Leben einsetzen für jene, die er schützen müsse. "Das ist auch das Zentrum des Evangeliums: Sterben, damit andere leben, wie dies auch Jesus tat." Die Armee abschaffen hiesse deshalb, wider das Evangelium zu handeln und der Anarchie freien Lauf zu lassen. Die Veranstaltung mit über 400 Anwesenden, welche die Initiative schliesslich einhellig ablehnen, wird zu einer wuchtigen Demonstration für den Verteidigungswillen und die Wehrbereitschaft.

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Ich bin genau zum Zeitpunkt der Armeeabstimmung mit meiner Korpsstabskompanie seit zwei Wochen im WK. Spannung liegt in der Luft. Die zentrale Frage der Soldaten beim Abtreten in den Urlaub lautet: "Müssen wir im Fall einer Annahme überhaupt noch für die letzte Woche einrücken?" Die Antwort lautet JA. Denn bei einer Zustimmung zur Initiative müssten Bundesrat und Parlament zuerst das genaue Prozedere festlegen und beschliessen.

Die Frage stellt sich dann allerdings nicht. Die Initiative wird mit 64,4 Prozent Nein- gegen 35,6 Prozent Ja-Stimmen, bei einer Stimmbeteiligung von 69,2 Prozent, abgelehnt. Dazu kommt ein überaus deutliches Ständemehr. Nur die Kantone Jura und Genf stimmen für die Initiative. Zum relativ hohen JA-Anteil trägt zweifellos der Mauerfall vom 9. November 1989 und die damit einsetzende Friedenseuphorie bei. Dazu kommt, dass bei der Gesamtverteidigungsübung "Dreizack" im Vorfeld der Abstimmung zum Teil ganze Bataillone während Tagen untätig herumgestanden sind. Dies hat weitherum Kritik ausgelöst und den Armeeabschaffern in die Hände gespielt.

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Im Lauf des Jahres 1989 spitzten sich neben dem Drogenchaos auch die Missstände im Asylbereich zu. Obwohl Bundesrätin Elisabeth Kopp mit Peter Arbenz einen Flüchtlingsdelegierten eingesetzt hat, gelingt es nicht, die Situation in den Griff zu bekommen. Im Oktober lancieren wir eine Kampagne mit den folgenden Forderungen: Die Behandlungsfristen für Asylgesuche sind drastisch zu verkürzen. Asylsuchen darf finanziell nicht lohnend sein. Die (illegale) Einreise über die "grüne Grenze" ist zu unterbinden. Wegweisungsentscheide sind zu vollziehen, und das Schlepperunwesen ist durch harte Strafen einzudämmen.

Die Missstände begleiten uns jedoch weiterhin auf "hohem Niveau" bis zum heutigen Tag - mit völlig chaotischen Phasen (insbesondere während des Bosnien-/Balkan-Konflikts) und explodierenden Kosten. Denn das Asylrecht wird von den Verantwortlichen (Bundesrat, Parlament, Verwaltung, Gerichte) nicht durchgesetzt. Mit einer Ausnahme: Bundesrat Christoph Blocher gelingt es mit einer konsequenten, straffen Führung und einer Asylrechtsverschärfung (2004), die Zahl der neuen Gesuche auf rund 10'000 pro Jahr zu halbieren. Unter seinen Nachfolgerinnen Eveline Widmer-Schlumpf und Simonetta Sommaruga hält aber rasch wieder das Laissez-faire und das "Gutmenschentum" (das den Missbrauch nicht nur duldet, sondern sogar fördert) Einzug.
(Fortsetzung folgt)

Hans Fehr