Am 13. Dezember 1992, eine Woche nachdem in der Schweiz Volk
und Stände den EWR-Beitritt abgelehnt hatten, stimmten die Liechtensteiner
dem EWR zu. Nach anfänglichen "wirtschaftlichen Vorteilen"
(die allerdings nicht konkret dargelegt wurden) wird nun Liechtenstein
von der EU-Realität eingeholt, insbesondere wegen des freien Personenverkehrs.
Der EWR-Rat hatte Liechtenstein wegen dessen Kleinheit und wegen des
hohen Ausländeranteils von 35 Prozent (Schweiz insgesamt 25 Prozent)
erlaubt, gewisse Schutzmassnahmnen zu ergreifen. Inzwischen kommt aber
Druck aus Brüssel, dass Liechtenstein mit der Liberalisierung vorwärts
machen müsse. Unter diesem Druck hat Vaduz per Anfang 1998 die Bewilligungspflicht
für EWR-Grenzgänger aufgehoben, und Saisonniers können
nun Stelle und Beruf wechseln.
Die Folgen zeigen sich rasch: Im 1. Quartal 1998 haben mehrere hundert
neue Grenzgänger aus dem EWR-Raum, vor allem aus Österreich
und Deutschland, in Liechtenstein eine Arbeit aufgenommen. Immer mehr
EU- Bürger wollen am noch) attraktiven Arbeitsmarkt und am Wohlstand
in Liechtenstein teilhaben. Viele Industriearbeiter haben Angst vor Lohndumping,
also vor tieferen Löhnen infolge des starken Zuwanderungs drucks.
Aber
auch ausländische Ärzte und Zahnärzte drängen ins
reiche und attraktive Liechtenstein; etliche haben in den letzten Monaten
eine Praxis eröffnet.
Den internationalen Druck bekommt auch das einheimische Gewerbe zu spüren.
Als die Liechtensteiner Regierung kürzlich einen Architekturwettbewerb
für die Renovation und Erweiterung des Landesmuseum Vaduz vorschriftsgemäss
im EU-Amtsblatt ausschrieb, meldeten sich 12 liechtensteinische und 192
ausländische Architekten; 26 Ausländer und 3 Einheimische wurden
schliesslich zum Wettbewerb zugelassen. Das ist nur ein Beispiel. In Gewerbekreisen
ist man besorgt.
Es ist keine Frage, dass sich die Probleme für die viersprachige
Schweiz mit ihren hohen Löhnen, den guten Sozialleistungen und der
vergleichsweise tiefen Arbeitslosigkeit bei freiem Personenverkehr noch
schärfer stellen würden.
Die heimatmüden Euroapostel in der Schweiz müssen am Beispiel
Liechtenstein endlich die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Die wohltönenden
Phrasen von "Öffnung", von "Aufbruch nach Europa",
und von "Mitgestaltung in der EU", wie sie neuerdings auch die
CVP geradezu selbstmörderisch verkünden, haben mit der Wirklichkeit
nichs zu tun. Die Kleinen kommen in der Grosskonstruktion der EU unweigerlich
unter die Räder.
von Nationalrat Hans Fehr, Geschäftsführer
AUNS, Eglisau
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