"Verehrte Instruktoren, Eltern, Freundinnen, Bekannte und Gäste
und natürlich: verehrte Unteroffiziere, chers caporaux, cari caporali:
Sie dürfen heute zurecht stolz sein auf das Erreichte. Als Korporal
und Gruppenführer bekleiden Sie eine der wichtigsten und anspruchsvollsten
Funktionen in der Armee. Sie sind es, welche mit den Soldaten direkt und
"praktisch" zu tun haben, Sie sind es, welche mit Ihrer Gruppe
die Befehle und Massnahmen an der "Front" direkt umsetzen. Was
nützen die besten Korps-, Divisions-, Brigade- und Regimentsbefehle,
wenn "unten" nichts passiert? Als gute Unteroffiziere sind Sie
das Rückgrat der Armee.
Meine "Botschaft"
Ich habe zum heutigen Tag vier Botschaften an Sie.
- Erstens:
Ich danke Ihnen für die Bereitschaft, mehr zu leisten, mehr Verantwortung
zu tragen, mehr Belastungen auf sich zu nehmen als andere. Sie haben
dafür Respekt und hohe Wertschätzung verdient.
- Zweitens:
Unsere Armee, unser Land braucht Sie! Sie haben als Aufklärer einen
besonders wichtigen Auftrag. Ohne eine gute Aufklärung auf allen
Stufen gibt es keinen Erfolg im Einsatz, im Kampf.
- Drittens:
Machen Sie das Motto "Erfolg sicherstellen, statt Misserfolg begründen"
zu einem zentralen Leitsatz Ihres militärischen und zivilen Tuns.
Viele Leute verschwenden ihre Zeit damit, um zu begründen, warum
dies und das schiefgelaufen sei. Sie begründen langatmig und wortreich
den Misserfolg, anstatt den Erfolg mit den richtigen Massnahmen rechtzeitig
sicherzustellen. Dieser Leitsatz hat fast überall seine Gültigkeit:
im Militär, im Beruf, in der Politik, in der Partnerschaft, in
der Familie, im Sport und anderswo. "Erfolg sicherstellen, statt
Misserfolg begründen" heisst für Sie als militärischer
Gruppenführer beispielsweise: den Auftrag genau analysieren, einfach
und klar befehlen, rechtzeitig die nötigen Hilfsmittel bereitstellen,
Verbindungen, Beleuchtungsmittel sicherstellen, Funktionskontrolle machen.
- Viertens:
Zeigen Sie Rückgrat! Seien Sie als Unteroffizier (und auch als
Bürger) standfest. Sagen Sie: "Ich befehle, ich verlange das
und das!" Verbergen Sie sich nicht hinter dem Vorgesetzten ("Ihr
müsst jetzt halt das machen, weil es der Leutnant will").
Tragen Sie selbst Verantwortung in einer Zeit, wo viele, auch Politiker,
jegliche Verantwortung "delegieren" wollen - beispielsweise
auf eine "supranationale" Ebene...
Landesverteidigung und Kriegsverhinderung als Armee-Auftrag. Lassen Sie
mich noch zum Auftrag der Armee Stellung nehmen. Die neue Bundesverfassung,
Artikel 58, besagt klipp und klar: "Die Armee dient der Kriegsverhinderung
und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land
und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden
bei der Abwehr schwerwiegende Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei
der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann
weitere Aufgaben vorsehen.
Sie sehen, der Hauptauftrag ist klar: Die Armee muss nötigenfalls
den Kampf führen und unser Land und Volk verteidigen können.
Zusätzlich unterstützt sie die zivilen Behörden, beispielsweise
bei Katastrophen, sofern die zivilen Kräfte ausgeschöpft sind.
Heute will man der Armee alles anhängen. Sie soll (richtigerweise)
bei Lawinen- und Hochwasser-Katastrophen eingreifen, sie soll aber auch
Botschaften und Gebäude bewachen. Asylbewerber betreuen, Sportveranstaltungen
unterstützen, Hilfsdienste bei der Expo 01 leisten und dergleichen
mehr.
Ich erlaube mir die Frage: Geht dabei nicht der Hauptauftrag vergessen?
Jetzt soll die Armee auch noch Auslandeinsätze (laut Verteidigungsdepartement
auch bewaffnete) machen. Ich will hier keine Politik machen, aber Sie
müssen sich als Staatsbürger die folgenden Fragen stellen: Werden
wir damit nicht in fremde Händel hineingezogen? Ist unsere immerwährende
bewaffnete Neutralität, die sich seit langer Zeit als Friedens- und
Sicherheitsinstrument bewährt hat, mit solchen Einsätzen noch
glaubwürdig? Bringen wir damit unsere besondere Fähigkeit als
neutraler Staat - nämlich unparteiisch humanitäre Hilfe zwischen
den Fronten zu leisten und zu vermitteln - nicht in Gefahr?
Müsste der neutrale Kleinstaat Schweiz sich nicht auf das beschränken
und das verstärken, was er besonders gut kann? Oder soll er wie eine
Grossmacht überall (ein bisschen) "dabei sein"? Ich bitte
Sie als Verantwortungsträger in der Armee und als Staatsbürger,
diese Fragen zu überlegen und einen klugen Entscheid zu treffen."
Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau
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