In Anbetracht der fragwürdigen und realitätsfremden
Praxis der Asylrekurskommission (ARK) wird der Bundesrat beauftragt, gegenüber
der ARK als Sofortmassnahme Ordnungsvorschriften zu erlassen. So dann
ist das Beschwerdewesen im Asylrecht neu zu konzipieren, und es ist eine
einfachere, gesetzes treue Form des Rekurswesens einzuführen - nötigenfalls
auf der Basis eines asylspezifischen Beschwerdeverfahrens.
Begründung
Ungenügende Interpellationsantwort
Mit der Interpellation 99.3128 "Unverantwortliche Entscheide
der Asylrekurskommission" vom 19.3.99 wurde anhand zahlreicher konkreter
Beispiele die oft realitätfremde und folgenschwere Praxis der Asylrekurskommission
aufgezeigt. Dies betraf insbesondere die folgenden Bereiche:
Familiennachzug: Es ist zur Praxis geworden, dass vorläufig aufgenommenen
Pesonen der Familiennachzug gewährt wird (vgl. ARK-Grundsatzurteil
1995/24). Diese Praxis steht im Widerspruch zum Bundesgesetz über
Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (ANAG).
Verzögerung von Verfahren: Gemäss Grundsatzurteil 1998/1 der
ARK kann eine asylsuchende Person nach einer rechtskräftigen erstinstanzlichen
Verfügung, mit der das Fehlen der Flüchtlingseigenschaft festgestellt
worden ist, noch während des hängigen Beschwerdeverfahrens gegen
die Wegweisung ein neues Asylgesuch einreichen. Dies führt zur Sistierung
des Beschwerdeverfahrens und zur Überweisung des neuen Gesuches an
das BFF, das über das neue Gesuch zu befinden hat. Asylsuchende haben
somit die Möglichkeit, nach Ablehnung des neuen Gesuches noch während
eines hängigen Beschwerdeverfahrens erneut ein ordentliches Rechtsmittel
zu ergreifen und damit ihr Verfahren in die Länge zu ziehen. Mit
diesem Entscheid wird der Wille des Gesetzgebers nach grösserer Effizienz
des Asylverfahrens und Beseitigung von Missbräuchen missachtet.
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung: Eine weitere Missachtung
des Gesetzes durch die ARK erfolgt in jenen Fällen, wo Asylbewerber,
insbesondere Personen aus dem Drogenmilieu, mehrfach ihre Mitwirkungspflicht
verletzen, indem sie nicht an Anhörungen erscheinen. Trotzdem gewährt
die ARK aber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde,
was die vom Gesetzgeber verlangte Verfahrensbeschleunigung verhindert.
Zu dieser Frage übernimmt der Bundesrat die unbelegte Behauptung
der ARK, es treffe nicht zu, dass die ARK die aufschiebende Wirkung "praktisch
systematisch" wiederherstelle. Tatsache ist indessen, dass ARK-Richter
selbst in Fällen, wo die Gesuchsteller im Drogenmilieu verkehrten,
die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt haben.
Die Situation nach der Totalrevision des Asylgesetzes
Das Bild hat sich auch mit der Inkraftsetzung des neuen Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 nicht geändert. Mit der Totalrevision des Asylgesetzes
wollte der Gesetzgeber ein Instrumentarium schaffen, um konsequenter gegen
Missbräuche vorgehen zu können und das Verfahren zu beschleunigen.
Das Vorgehen einer Gruppe von ARK-Richtern und neueste ARK-Entscheide
weisen aber in die gegenteilige Richtung. Mit meist formalistischen Erwägungen
werden die Bestimmungen des Asylgesetzes augeweicht:
- Verfolgungsbegriff: Mit dem Urteil EMARK 1999/17 wird der Verfolgungsbegriff
über die Definition gemäss Art. 3 AsylG hinaus ausgedehnt.
- Vorsorgliche Wegweisung: Mit der durch die ARK vorgenommenen Auslegung
von Art. 42 Abs. 2. AsylG i. V. mit Art. 31 Abs. 1 AsylV in einem Grundsatzurteil
wird eine Umsetzung des Rückübernahmeabkommens mit Italien,
von wo aus die meisten illegalen Einreisen von Asylsuchenden erfolgen,
praktisch verunmöglicht.
- Flughafenverfahren: In gewissen Fällen setzte sich die ARK selbst
über Einschätzungen des UNHCR, in denen eine Gefährdung
eines Asylbewerbers ausgeschlossen wird, ohne stichhaltige Begründung
hinweg und ordnete die Erteilung einer Einreisebewilligung an.
Die Schweiz als Zufluchtsort für Kriegsverbrecher: In zwei Urteilen
gegen ranghohe Vertreter des afghanischen Karmal-Najibullah-Regimes hat
die ARK den vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) verfügten
Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft kassiert und die Asylgewährung
angeordnet. Diese Rechtsprechung setzt sich nicht nur in Widerspruch zu
den Fakten und zur Praxis anderer westeuropäischer Staaten, sondern
läuft auch den Bemühungen der Schweiz zuwider, aktiv zur Verfolgung
und Bestrafung von Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen
in aller Welt beizutragen.
ANAG als Mittel der Migrationspolitik missbraucht
Schon vor einiger Zeit hat die ARK begonnen, im Bereich des ANAG mittels
einer gesetzeswidrigen Ausweitung des Begriffs der Zumutbarkeit eines
Wegweisungs-Vollzugs Migrationspolitik zu betreiben:
Begriff der "konkreten Gefährdung": Mit dem Urteil EMARK
1996/2 schafft die ARK eine neue Definition für eine "konkrete
Gefährdung", indem "schwierige Lebensverhältnisse"
der im ANAG genannten konkreten Gefährdung (Art. 14a Abs.4) gleichgesetzt
werden, um die Unzumutbarkeit einer Wegweisung zu begründen. Selbst
eine drohende Arbeitslosigkeit ist gemäss einem kürzlichen Urteil
der ARK "aus humanitären Erwägung" als Grund für
die Feststellung der Unzumutbarkeit des Vollzugs einer Wegweisung zu erachten.
Gesundheitszustand als Wegweisungshindernis: Im Falle eines HIV-positiven
Afrikaners, gemäss Arztzeugnis zur fraglichen Zeit bei guter Gesundheit,
wurde die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs verneint. Auch hier kann
von einer "konkreten Gefährdung" nicht die Rede sein. Ein
solches Urteil schafft die Möglichkeit, dass HIV- infizierte Personen
aus Regionen mit niedrigem medizinischem Versorgungsgrad sich mittels
Asylgesuch ein dauerndes Aufenthaltsrecht in die Schweiz erwirken können.
Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs für Asylsuchende aus bestimmten
türkischen Provinzen: Diesbezüglich hat die ARK in willkürlicher
Weise 17 Provinzen bestimmt, in welche keine Gesuchsteller zurückgewiesen
werden dürfen. So wurde einem Dienstverweigerer aus der Osttürkei
die vorläufige Aufnahme gewährt, nur weil er den Militärdienst
in seinem Herkunftsgebiet in der Osttürkei leisten müsste, was
ihm aber nicht zuzumuten sei. Die Behauptung einer flächendeckenden
Gefährdung der Bevölkerung in diesen 17 Provinzen ist durch
keine Fakten erhärtet. Zudem gibt es Zehntausende junger Männer
aus diesen Provinzen, die jährlich ihren Dienst zu leisten haben
und somit gemäss Logik der ARK Anrecht hätten auf vorläufige
Aufnahme in der Schweiz.
Asylgesuche auf die lange Bank geschoben
In den letzten Jahren wurden Hunderte von Fällen durch ARK-Richter
sistiert, zum Teil sogar auf Weisung ihrer Vorgesetzten. Im Falle von
Bosnien und Herzegowina hat die ARK die Wegweisungspolitik des Bundesrates
unterlaufen, indem sie Dosierkategorien zusammenstellte und diese einfach
nicht mehr behandelte, in der Meinung, dass es irgendwann eine humanitäre
Globalregelung gebe. In der Tat müssen nun all diese Dossiers auf
die Anwendung von Art. 44 AsylG Abs. 3 geprüft werden, was im BFF
zu einem erheblichen Mehraufwand führen wird. Mit dieser Problematik
setzt sich auch ein Artikel der "Suisse Romande" vom 19. Februar
2000 auseinander. Darin wird bestätigt, dass zwar jedermann wisse,
wo das Asylverfahren klemme, nämlich auf Beschwerdeebene bei der
ARK, doch gebe es dazu keine konkreten Zahlen. Es gibt aber zahlreiche
Statistiken bei der ARK und beim BFF mit genauen Zahlenangaben zu Verfahrensdauer
und Herkunftsstaaten. Daraus geht u.a. hervor, dass bei der ARK allein
für die Zeit von 1992 bis 1995 ca. 2000 sistierte Asylgesuche aus
Bosnien, Jugoslawien und Sri Lanka hängig sind. Die jährlichen
Kosten für die Fürsorge dieser Personen, die sich vorwiegend
nur deshalb in er Schweiz aufhalten, weil einige ARK-Richter bewusst das
Asylgesetz unterlaufen, geht in zwei- bis dreistellige Millionenbeträge.
Das ist ein Skandal!
Verhalten gewisser ARK-Richter
Gemäss Presseberichten kann es sich ein gewisser ARK-Richter erlauben,
das vom Parlament und vom Volk genehmigte Asylgesetz in der Öffentlichkeit
heftig zu kritsieren. Insbesondere stört es ihn, dass das BFF nun
die verschärften Gesetzesbstimmungen "fleissig und oft"
anwende. Seine Vorwürfe an den Gesetzgeber krönt er mit der
Aussage, es könne nicht mehr von einem fairen Verfahren gesprochen
werden, da ja die teilweise kurzen Fristen im Asylverfahren nur eingeführt
worden seien, um den Asylbewerbern die Möglichkeit einer Beschwerde
vorzuenthalten (BZ vom 9.2.2000).
Das einseitige und untolerierbare Verhalten dieses Richters und Kammerpräsidenten
hat bisher zu keinen Sanktionen geführt. So konnten sich auch weitere
im selben Kielwasser agierende Richterinnen und Richter bei ihren zum
Teil weltfremden und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Urteilen
auf ihre richterliche Unabhängigkeit berufen.
Die oft fragwürdige bis unverantwortliche Praxis der ARK hat eine
fatale Signalwirkung und leistet dem Missbrauch unseres Asylrechts Vorschub.
Sie verursacht gewaltige Kosten, schürt gefährliche fremdenfeindliche
Strömungen und unterhöhlt die Rechtsordnung in unserem Land.
Fazit
Asylentscheide des BFF werden durch die ARK zunehmend desavouiert. Sofern
die BFF-Beamten das Asylgesetz korrekt anwenden, müssen sie gewärtigen,
dass ihre Entscheide von der ARK entweder sistiert oder kassiert und dass
Beschwerden gegen den Vollzug der Wegweisung gutgeheissen werden. Deshalb
ist die Antwort des Bundesrates auf die erwähnte Interpellation unbefriedigend
und nicht akzeptabel.
Es drängen sich dazu folgende Feststellungen auf:
Der Bundesrat hat die politische Kontrolle über den Asylbereich offensichtlich
weitgehend verloren; er hat die Festlegung der asylpolitischen Leitlinien
praktisch der ARK überlassen.
Es macht den Anschein, dass sich der Bundesrat von der politischen Verantwortung
in der Asylfrage verabschiedet hat und dass er die Gestaltung der Asylpolitik
Gruppierungen (ARK, Hilfswerke, Rechtsprofessoren) überlässt,
die von einer largen Asylpolitik und von einem ungehemmten Zustrom von
Asylsuchenden nur profitieren können. An vorderster Stelle steht
dabei die ARK.
In seiner Interpellations-Antwort versteckt sich der Bundesrat hinter
Paragraphen. Er nimmt es in Kauf, dass seine eigenen Leitlinien von der
ARK unterlaufen werden. Bei der Beantwortung der Interpellation ist der
Bundesrat nicht in der Lage, klare Zahlen zu liefern. Die zum Teil beschönigenden
Antworten hat er sich offensichtlich von der (befangenen) ARK liefern
lassen.
Der Bundesrat hat es bisher versäumt, von seinem Weisungsrecht
gegenüber der ARK Gebrauch machen und den Richtern Ordnungsvorschriften
zur Behandlung der Dossiers vorzulegen. Um das willkürliche Sistieren
von Dossiers zu verhindern, müssen die ARK-Urteile spätestens
sechs Monate nach Eingang der Beschwerde gefällt werden.
Der Bundesrat lässt es zu, dass ein ARK-Richter gegen das Prinzip
der Unparteilichkeit und der Gewaltentrennung verstösst und öffentlich
die Gesetze kritisiert, die er Kraft seines Amtes anzuwenden hat. Derartige
Äusserungen eines Kammerpräsidenten bedeuten einen klaren Verstoss
gegen die Amtspflicht und müssen sanktioniert werden.
Die ARK kann offenbar Migrationspolitik betreiben, ohne dass es der Bundesrat
merkt. Die ARK masst sich auf diese Weise quasi gesetzgeberische Kompetenzen
an. Es ist auch Aufgabe des Bundesrates, gegenüber der ARK dafür
zu sorgen, dass die Schweiz unter dem Deckmantel des Asylgesetzes nicht
zu einem Zufluchtsort für Kriegsverbrecher wird.
Konsequenz
Der Bundesrat muss die politische Kontrolle im Rahmen seiner Aufsichtspflicht
über die ARK-Tätigkeit konsequent ausüben und seine Verantwortung
im Asylbereich wieder wahrnehmen. Es sind auf das Gesetz und den Volkswillen
abgestützte Verhältnisse herzustellen.
Kurzfristig muss der Bundesrat deshalb klare Ordnungsvorschriften erlassen.
Da viele ARK-Entscheide dem Willen des Gesetzgebers und des Volkes zuwiderlaufen
und sich die einzelnen Richter auch weiterhin auf ihre Unabhängigkeit
berufen können, ist mittelfristig die ARK neu zu konzipieren, und
es ist eine einfachere, effizientere, gesetzestreue Form des Rekurswesens
- nötigenfalls auf der Basis eines asylspezifischen Beschwerdeverfahrens
- einzuführen.
Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau
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