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Armee XXI: Schwächung der Miliz, mangelnder Rückhalt im Volk
Pressekonferenz vom 25.4.2003, "Nein zu dieser Armee XXI"

Als überzeugter Befürworter der schweizerischen Landesverteidigung mit immerhin gegen 1400 Diensttagen befinde ich mich in einem Dilemma. Ich will eine moderne schweizerische Verteidigungsarmee, eine Milizarmee, die ihren Kernauftrag gemäss Bundesverfassung, Artikel 58, ohne Wenn und Aber erfüllen kann: "Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung." Nur die Erfüllung dieses Kernauftrags rechtfertigt die Schweizer Armee.

Die Armee XXI verlässt das Prinzip der autonomen Verteidigung. Sie ist ein Verstoss gegen die schweizerische Neutralität. Sie bringt eine Annäherung an die NATO sowie eine Schwächung der Milizarmee.

Ich muss nein sagen zu dieser Armee XXI, weil ich die Verantwortung für dieses falsche Konzept nicht tragen kann.

Die schweizerische Milizarmee auf dem Boden der immerwährenden, bewaffneten Neutralität war bisher etwas Einzigartiges. Sie war eine reine Verteidigungs- und Widerstandsarmee mit einem im Grund zutiefst pazifistischen, antimilitaristischen Kern. Wir hatten eine Armee ausschliesslich im eigenen Land und für das eigene Land zur glaubwürdigen Durchsetzung unserer bewaffneten Neutralität. Der Rückhalt der Armee im Volk war ausserordentlich gross. Auch im Ausland zollte man unserer Milizarmee hohen Respekt.

Wesentliche Schwächen in der Ausgestaltung der Armee XXI

1. Reissbrett-Armee ohne echte Alternativen
Die Armee XXI ist ohne Milizvertreter, ausschliesslich von Schreibtisch-Planern, von Berufsoffizieren des VBS, auf dem Reissbrett entstanden. Sie haben die einstige Verteidigungs- und Milizarmee systematisch auf NATO-Normierung und auf NATO-Strukturen, quasi zum NATO-Klon, umgebaut. Echte Alternativen zum hochgejubelten (aber hohlen) Schlagwort "Sicherheit durch Kooperation" wurden nicht zugelassen. Bundesrat Ogi hat Maulkörbe an Kritiker verteilt. Statt die Armee aufgrund der wahrscheinlichsten Bedrohungsszenarien und aufgrund des Kernauftrags zu konzipieren, ist man umgekehrt vorgegangen: Die Armee XXI wurde einseitig auf ein vorgefasstes und überholtes Konzept hin ausgerichtet.

2. Zweiklassenarmee
Das System der Durchdiener und der Zeitsoldaten (die problemloser im Ausland eingesetzt werden können) läuft auf eine Zweiklassenarmee und in der Tendenz auf eine Berufsarmee hinaus. Durchdiener und Zeitsoldaten werden die "attraktiven, schlagzeilenträchtigen" Aufträge und das beste Material bekommen; den "normalen" Angehörigen der Armee verbleibt der unspektakuläre Rest.

3. Milizsystem geschwächt
In der Armee XXI soll die Ausbildung professionalisiert werden. Dazu braucht es zusätzlich Hunderte von professionellen Instruktoren. Der Anteil an Milizkadern wird reduziert; so genannte Lehrverbände werden ohne Milizeinfluss ausbilden. Entgegen den Behauptungen des VBS werden Milizoffiziere bald kaum mehr Bataillone führen, weil zusätzliche Instruktoren berücksichtigt werden müssen. Das Prinzip, wonach eine Milizarmee durch Milizoffiziere geführt wird, wird verletzt.
Zudem wird der bewährte Miliz-Grundsatz "Lehrlinge bilden Lehrlinge aus" aufgebrochen durch die Tatsache, dass künftige Offiziere die RS bereits nach sieben Wochen verlassen und sich nicht als Unteroffiziere bewährt haben müssen.

4. Kostenexplosion zulasten der Rüstungsinvestitionen
Die zusätzlichen professionellen Instruktoren, die Durchdiener und Zeitsoldaten (und die damit verbundene Tendenz zur Berufsarmee) werden die Betriebskosten nach oben treiben. Weil die finanziellen Mittel für die Armee limitiert sind und künftig noch weiter reduziert werden dürften, wird sich dies zulasten der Rüstungsinvestitionen auswirken. In jenen Ländern, wo man zu Berufsarmeen übergegangen ist oder diese Richtung eingeschlagen hat (Beispiel Belgien), sind die Betriebskosten zulasten der Rüstungsinvestitionen explodiert.

5. Armee-Module, überdimensionierte Verbände
Armee-Module (anstelle von gewachsenen, zusammengeschweissten Truppenkörpern mit Korpsgeist), die man beliebig zusammensetzen kann, haben sich im Kriegs- und Ernstfalleinsatz nicht bewährt. Zudem werden mit der Armee XXI überdimensionierte Bataillone mit 1200-1400 Mann und 7-8 direkt unterstellten Kompanien geschaffen - Verbände, die kaum mehr zu führen sind.

6. Mangelnder Rückhalt im Volk
Wehrmänner, die mit weniger als 30 Jahren die ganze Wehrpflicht geleistet haben, werden mit 27-28 Jahren sogleich den ganzen "Karsumpel" hinschmeissen und sich fortan in der Regel keinen Deut mehr um die Armee, um ausserdienstliche Tätigkeiten und um das Schiesswesen kümmern. (Dieser Tendenz wird Vorschub geleistet durch parlamentarische Vorstösse wie das Postulat vom 11.6.2002 von FDP-Ständerätin Michèle Berger, mitunterzeichnet von Erika Forster-Vanini, Christiane Langenberger und Helen Leumann (alle FDP), welches verlangt, dass "Kriegsmunition nicht mehr zu Hause aufbewahrt wird.")

Viele Kinder werden ihren Vater nie mehr als Soldat zu Gesicht bekommen, was die Entfremdung gegenüber der Armee zusätzlich verstärkt.

7. Alarmformationen und Territorial-Infanterie abgeschafft
Im weiteren werden ausgerechnet die Alarmformationen mit hervorragender Ortskenntnis (Flughafenregiment, -bataillone) abgeschafft. Die Territorial-Infanterie,
die sich besonders für den Schutz lebenswichtiger Objekte oder für die Verstärkung des Grenzwachtkorps eignet und ihren Einsatzraum hervorragend kennt, wird ebenfalls abgeschafft, und die Rettungstruppen werden stark dezimiert. Festungswerke und Bunkeranlagen werden voreilig und in grosser Zahl aufgegeben und zum Teil für "zivile Nutzungen" verhökert.

8. Wehrgerechtigkeit in Frage gestellt
Im weiteren wird die Wehrgerechtigkeit in Frage gestellt durch die Tatsache, dass fortan ein Teil der Dienstpflichtigen bereits bei der Aushebung für den Bevölkerungsschutz "abgezweigt" wird und nie Militärdienst zu leisten hat.

Nur mit einem Nein zur Armee XXI am 18. Mai 2003 zwingen wir das VBS und den Bundesrat, eine taugliche Reform für eine moderne Schweizer Armee vorzulegen, welche den Verfassungsauftrag erfüllt, die schweizerische Neutralität respektiert, sich von NATO-Anschlusszwängen befreit und insbesondere dem schweizerischen Milizsystem gerecht wird.

 

von Nationalrat Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau


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